Vermögensbericht in der WEG: Inhalt und Zweck
Der Vermögensbericht ist seit der WEG‑Reform 2020 Pflicht: Nach Ablauf jedes Kalenderjahres muss der Verwalter den Stand der Rücklagen und das wesentliche Gemeinschaftsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE) offenlegen – und zwar für jeden Eigentümer zugänglich. Anders als die Jahresabrechnung dient er nicht der Beschlussfassung, sondern der Transparenz und Kontrolle: Eigentümer sollen sich „ein möglichst genaues Bild über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft“ machen können. Wird der Bericht nicht oder unzureichend vorgelegt, kann das sogar die Entlastung des Verwalters kippen. Im Beitrag finden Eigentümer und Verwalter: die gesetzliche Grundlage, einen präzisen Pflicht‑Inhaltskatalog (mit Beispielen), die Abgrenzung zur Jahresabrechnung, Zuständigkeit/Fristen/Form der Bereitstellung sowie konkrete Praxistipps – inklusive Hinweisen zu Datenschutz und typischen Fehlern.
Rechtsgrundlage & Zweck: Wofür ist der Vermögensbericht da?
Der Vermögensbericht ist in § 28 Abs. 4 WEG geregelt. Danach hat der Verwalter nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Bericht zu erstellen, der den Stand der Rücklagen (insbesondere Erhaltungsrücklage nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG) und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Jeder Eigentümer hat einen Anspruch darauf, dass ihm der Bericht zur Verfügung gestellt wird (etwa per Post, E‑Mail oder in einem zugangsbeschränkten Online‑Portal). Zweck laut Gesetzesbegründung: Informations‑ und Kontrollrecht der Eigentümer – ein möglichst genaues Bild über Liquidität, Rücklagen, Forderungen und Verbindlichkeiten der Gemeinschaft.
Praxisbeispiel 1: Die Gemeinschaft plant eine Dachsanierung. Der Vermögensbericht zeigt: Erhaltungsrücklage 185.000 €, fällige Forderungen 12.500 €, kurzfristige Verbindlichkeiten 46.000 € – Grundlage, um Nachschüsse oder Darlehen zu bewerten.
Praxisbeispiel 2: In einer kleinen WEG bestehen kaum Sachwerte, aber Hausgeldrückstände einzelner Eigentümer. Der Bericht macht diese betragsgenau sichtbar – der Beirat kann das Mahnwesen steuern.
MIV‑Praxistipp: Planen Sie die Jahresversammlung so, dass Vermögensbericht und Jahresabrechnung rechtzeitig bereitstehen – der Bericht dient als „Finanz‑Snapshot“ für Beschlüsse über Nach‑/Vorschüsse nach § 28 Abs. 2 WEG.
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Pflichtinhalte im Detail: Was muss hinein?
Die Begründung zum WEMoG nennt einen verbindlichen Mindestkatalog (heute § 28 Abs. 4 WEG): auszuweisen sind Stand der Erhaltungsrücklage und weiterer beschlossener Rücklagen, außerdem eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens. Dieses umfasst insbesondere:
- alle Forderungen der GdWE gegen einzelne Wohnungseigentümer (z. B. Hausgeldrückstände, offene Rücklagenanteile) und gegen Dritte (Versicherungen, Dienstleister),
- alle Verbindlichkeiten (insb. Bankdarlehen, offene Handwerker‑/Versorgerrechnungen),
- sonstige Vermögensgegenstände (z. B. Brennstoffvorräte, Werkzeuge). Geldforderungen und
- verbindlichkeiten sind betragsmäßig anzugeben; Sachwerte werden benannt, nicht bewertet. Stichtag ist jeweils der Ablauf des Kalenderjahres. Unwesentliches kann entfallen.
Praxisbeispiel 1: Der Bericht listet je ET‑Nr. Hausgeldrückstände (Summe 9.430 €) und ein Lieferantendarlehen (Rest 22.000 €) – betragsgenau und stichtagsbezogen; Heizölbestand wird nur benannt.
Praxisbeispiel 2: Eine WEG mit Darlehen zur Fassadensanierung führt Tilgungs‑/Zinslasten als Verbindlichkeiten und weist zugleich die zweckgebundene Baurestzahlung als Forderung gegen die Versicherung aus.
MIV‑Praxistipp: Arbeiten Sie mit OP‑Listen (Forderungen/Verbindlichkeiten) per Stichtag 31.12. und fügen Sie eine knappe Liquiditätsübersicht (Bank‑/Kassenstände) an. Das erhöht Verständlichkeit ohne Bewertungspflicht.
Abgrenzung zur Jahresabrechnung – und Folgen bei Verstößen
Der Vermögensbericht ist kein Teil der Jahresabrechnung und nicht Beschlussgegenstand. Er ist ein eigenständiges Informationsinstrument; die Jahresabrechnung dient der Vorbereitung des Beschlusses über Nachschüsse/Vorschüsse (§ 28 Abs. 2 WEG). Die Form der Bereitstellung (z. B. E‑Mail, Post, Portal) ist gesetzlich offen; entscheidend ist, dass allen Eigentümern der Bericht zur Verfügung steht.
Rechtsprechung: Ohne ordnungsmäßigen Vermögensbericht keine Entlastung – das LG Frankfurt a. M. erklärte einen Entlastungsbeschluss für ungültig, weil der Bericht fehlte bzw. inhaltlich nicht genügte. Mindestinhalt: Forderungen, Verbindlichkeiten, wesentliche Vermögenswerte in einer Weise, die ein durchschnittlicher Eigentümer versteht. Separates Dokument, nicht bloß verstreute Belege. (Urteil vom 09.11.2023 – 2‑13 S 3/23, 2‑13 T 24/23).
Praxisbeispiel 1: In der Versammlung liegt nur die Abrechnung vor; der Vermögensbericht wurde nicht bereitgestellt. Der Entlastungsbeschluss ist anfechtbar
Praxisbeispiel 2: Der Bericht besteht aus unsortierten Kontoauszügen. Das genügt nicht – es fehlt die strukturierte Aufstellung.
MIV‑Praxistipp: Eigenständiges PDF mit Inhaltsverzeichnis (Rücklagen – Forderungen – Verbindlichkeiten – sonstige Vermögensgegenstände) versenden und im Portal ablegen; so vermeiden Sie Angriffsflächen.
Zuständigkeit, Zeitpunkt & Form: Wer, wann, wie?
Zuständig ist der amtierende Verwalter nach Jahresende; die Pflicht entsteht erst nach Ablauf des Kalenderjahres. Scheidet ein Verwalter vor Jahresende aus, schuldet er regelmäßig keinen „Rumpf‑Vermögensbericht“; zuständig ist der Verwalter im Amt nach 31.12. (LG Frankfurt a. M., Beschl. v. 06.01.2025 – 2‑13 S 109/24).
Zeitpunkt/Stichtag: Der Bericht bezieht sich auf den 31.12.; er ist nach Jahresende zu erstellen. Zur Form sagt § 28 Abs. 4 WEG nur „zur Verfügung stellen“. Zulässig sind Post, E‑Mail oder die Einstellung in ein geschütztes Online‑Portal; reine Vorlage „zur Einsicht“ in der Versammlung genügt nicht. Fehlt der Bericht oder ist er mangelhaft, hat jeder Eigentümer einen Anspruch gegen die Gemeinschaft auf Erst‑ bzw. Berichtigungsbereitstellung.
Praxisbeispiel 1: Verwalterwechsel am 01.10.2025 – die WEG verlangt den Vermögensbericht 2025 vom neuen Verwalter; der alte muss keinen Zwischenbericht liefern.
Praxisbeispiel 2: Der Bericht wird nur in der Versammlung „ausgelegt“. Eigentümer rügen die Form – zu Recht; es braucht aktiven Zugang (z. B. Versand/Portal).
MIV‑Praxistipp: Beschließen Sie standardisiert die Bereitstellungsform („PDF per E‑Mail + Portalablage bis 30.04.“). Das schafft Klarheit und Beweisbarkeit.
Umsetzung in der Praxis: Struktur, Transparenz & Datenschutz
Empfohlener Aufbau (kurz, prüffähig): 1) Deckblatt (Stichtag 31.12., Objekt, Zeitraum), 2) Rücklagenübersicht (Erhaltungs‑/weitere Rücklagen, Zuführungen/Entnahmen, Stand zum 31.12.), 3) Bank‑/Kassenstände, 4) Forderungen (gegliedert nach einzelnen Eigentümern und Dritten, z. B. Versicherungen), 5) Verbindlichkeiten (Bankdarlehen, offene Rechnungen), 6) sonstige Vermögensgegenstände (Brennstoffvorräte, Geräte), 7) Hinweis, dass Sachwerte nicht bewertet werden. Geldposten stets betragsgenau ausweisen.
Datenschutz: Die Benennung einzelner Hausgeldschuldner ist zulässig, weil der Gesetzgeber gerade Forderungen „gegen einzelne Wohnungseigentümer“ als Berichtsinhalte nennt; Zweck ist die Kontrolle der Vermögenslage. Gleichwohl sollten nur die erforderlichen Daten (Name, Einheit, Betrag, Stichtag) erscheinen.
Praxisbeispiel 1 (Transparenz): Kompakte OP‑Listen mit Spalten „Einheit/Name – Betrag – Fälligkeit – Mahnstufe“ ersetzen unübersichtliche Belegsammlungen.
Praxisbeispiel 2 (Qualitätssicherung): Interner Vier‑Augen‑Check (Sachbearbeitung/Beirat) vor Versand – Fokus auf stichtagsgerechte Salden und Vollständigkeit der Forderungen/Verbindlichkeiten.
MIV‑Praxistipp: Verankern Sie im Verwaltervertrag eine Dienstleistungsvereinbarung (z. B. „Vermögensbericht bis 30.06.; Form: PDF + Portal; Struktur nach Gliederung A–G“). Das reduziert Streit und erhöht Prüfgeschwindigkeit.
Fazit
Der Vermögensbericht ist das Finanz‑Dashboard der Gemeinschaft: gesetzlich verpflichtend, jährlich und jedem Eigentümer bereitzustellen. Inhaltlich gehören hinein: Rücklagenstand, alle Forderungen (insb. Hausgeldrückstände) und alle Verbindlichkeiten sowie sonstige Vermögensgegenstände – stichtagsbezogen und betragsgenau (nur Sachwerte ohne Bewertung). Er ist kein Beschlussgegenstand, aber Grundlage für fundierte Entscheidungen und die Entlastung: Fehlt er oder ist er mangelhaft, drohen Anfechtungen. Wer sauber strukturiert, klare Bereitstellungswege beschließt und Daten auf das Erforderliche begrenzt, erfüllt Recht und schafft Vertrauen.





