Kann eine Verwaltung die Eigentümerversammlung kurzfristig absagen – und was sind die Folgen?
Darf die Hausverwaltung eine bereits einberufene Eigentümerversammlung kurzfristig absagen oder verlegen – und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Die Antwort hängt am Zusammenspiel von Gesetz, Vereinbarungen der Gemeinschaft und aktueller Rechtsprechung. Maßgeblich sind § 24 WEG (Einberufung, Leitung, Protokoll) sowie § 23 WEG (Beschlussfassung, Umlaufbeschlüsse und – seit 17.10.2024 – die rein virtuelle Versammlung). Kurzfristige Absagen sind nicht generell verboten, verlangen aber einen sachlichen Grund, zügige Kommunikation und eine saubere Dokumentation. Der Beitrag ordnet die Rechtslage ein, grenzt zulässige von riskanten Absagen ab und zeigt praktische Alternativen (Ersatztermin, Umlauf- oder virtuelle Versammlung) auf.
Rechtsrahmen: Einberufung, Absage, Verlegung und Vertagung in der WEG‑Praxis
Ausgangspunkt ist § 24 WEG: Einberufungszuständig ist grundsätzlich der Verwalter; mindestens eine Versammlung pro Jahr ist Pflicht. Das Gesetz regelt die „Absage“ einer bereits ordnungsgemäß geladenen Versammlung nicht ausdrücklich. Aus der Einberufungskompetenz folgt jedoch nur ein eng begrenztes Recht, eine Sitzung aus sachlichem Grund aufzuheben oder zu verlegen. Der Maßstab bleibt die ordnungsmäßige Verwaltung (§ 19 WEG als Leitbild), flankiert von den Formvorschriften des § 24 WEG (z. B. Ladung, Niederschrift). Wichtig: § 24 WEG ist nach höchstrichterlicher Linie dispositiv – also nicht in jedem Detail zwingend. Das eröffnet der Eigentümergemeinschaft (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – GdWE) Gestaltungsspielräume in Gemeinschaftsordnung oder wiederkehrenden Grundsatzbeschlüssen, ohne die Eigentümerrechte auszuhöhlen.
In der Versammlung selbst gilt: Führt der Verwalter den Vorsitz (§ 24 Abs. 5 WEG), kann die Versammlung gleichwohl jederzeit mehrheitlich eine andere Versammlungsleitung bestimmen; die Verwaltung ist nicht „Herrin“ der Versammlung. Ein einseitiger Abbruch durch die Verwaltung ist grundsätzlich unzulässig; bricht die Verwaltung ab oder verlässt den Raum, können die Eigentümer einen neuen Leiter wählen und fortfahren, solange Beschlussfähigkeit und Verfahrensregeln gewahrt sind. Praktisch zu unterscheiden sind daher: Absage vor Beginn (Abladung), Verlegung auf einen neuen Termin (neue Ladung) und Vertagung nach Eröffnung (Beschluss der WEG‑Gemeinschaft). Diese Differenzierung ist nicht nur formal – sie entscheidet über Risiken, etwa Schadensersatz wegen nutzloser Anreise oder die Anfechtbarkeit späterer Beschlüsse.
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Wann ist eine kurzfristige Absage zulässig – und wann nicht?
Zulässig sind Absagen aus objektiven, dokumentierten Gründen, die die Durchführung unmöglich machen oder unzumutbar erschweren. Typische Fälle: behördliche Untersagung oder der kurzfristige Wegfall des Versammlungsorts, akute Gefahrenlagen (Brandschutz, Unwetter), eine gesicherte, nicht kompensierbare Verhinderung des Versammlungsleiters trotz zumutbarer Ersatzsuche oder neue rechtliche Vorgaben zwischen Einladung und Termin. So hat etwa das LG Meiningen pandemiebedingte Abladungen gebilligt, wenn eine ursprünglich zulässige Präsenzversammlung durch nachträgliche Verbote unzulässig geworden war.
Dagegen reichen „weiche“ Gründe in der Regel nicht aus: die bloße Verhinderung einzelner Eigentümer, ein erwartbar geringes Quorum oder die Befürchtung kontroverser Debatten. Ebenfalls keine Rechtspflicht der Verwaltung ist es, vorsorglich hybride Teilnahme zu eröffnen; der BGH hat 2024 klargestellt, dass der Verwalter nicht von sich aus Online‑Teilnahme anbieten oder in der Einladung erläutern muss – selbst bei bestehendem Grundlagenbeschluss. Entscheidend ist, dass die Verwaltung Alternativen prüft (Ersatzraum, Verlegung, virtuelle Fallback‑Option) und die Gründe der Abladung schriftlich festhält. Je kurzfristiger die Absage, desto strenger die Anforderungen an die Erreichbarkeit der Mitteilung und an die Darlegung, warum ein Ersatztermin nicht sofort angeboten werden konnte.
Für die Praxis bedeutet das: objektive Gründe belegen, Alternativen dokumentieren, unverzüglich informieren – dann bleibt die Eigentümergemeinschaft handlungsfähig und rechtssicher.
Folgen einer unzulässigen oder verspäteten Absage: Haftungsrisiken, Einberufungsrechte, Schadensersatz
Unterbleibt die Versammlung ohne tragfähigen Grund oder informiert der Verwalter so spät, dass die Abladung die Eigentümer nicht mehr erreicht, drohen Rechtsfolgen. Zivilrechtlich kommen Ansprüche nach § 280 BGB in Betracht; anerkannt sind insbesondere erstattungsfähige Reisekosten bei vermeidbar verspäteter Absage. Öffentlich-rechtliche Zwangsmittel spielen regelmäßig keine Rolle, wohl aber Aufsicht und Druck durch Eigentümerbeschlüsse bis hin zur Abberufungsdebatte. Daneben bestehen klare Einberufungsrechte: Weigert sich die Verwaltung, trotz Anspruchs einzuladen, greifen die subsidiären Rechte des Beiratsvorsitzenden/Stellvertreters; notfalls können Eigentümer eine gerichtliche Ermächtigung erwirken. Für die Wohnungseigentümergemeinschaft lohnt es sich, in der Tagesordnung „kritische“ TOP (z. B. Fristen, Notmaßnahmen) so zu strukturieren, dass diese im Umlauf oder in einer zeitnahen Ersatzsitzung entscheidungsreif sind.
Praktischer Tipp: Bei jedem Absagefall erstellt die Verwaltung einen kurzen Aktenvermerk (Grund, Zeitpunkt der Kenntnis, geprüfte Alternativen, Zeitpunkt und Kanal der Mitteilung) und informiert die Eigentümer mit Ersatzterminvorschlägen. Was Eigentümer tun können, wenn die Verwaltung gar nicht lädt, erläutert MIV im Praxisbeitrag Wenn der Verwalter nicht zur Versammlung einlädt
Alternativen zur Absage: Ersatztermin, Umlaufbeschluss und seit 17.10.2024 die virtuelle Versammlung
Der erste Weg nach einer Abladung ist die zügige Neuladung mit ordnungsgemäßer Frist. Für eilbedürftige Einzelpunkte erlaubt § 23 Abs. 3 WEG Beschlüsse ohne Versammlung (Umlaufbeschluss), wenn alle Wohnungseigentümer in Textform zustimmen; zusätzlich kann die Gemeinschaft für einen genau bezeichneten Einzelfall beschließen, dass im anschließenden Umlauf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt (Absenkungsbeschluss). Seit dem 17.10.2024 kennt § 23 WEG außerdem die rein virtuelle Eigentümerversammlung: Mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen kann die Eigentümergemeinschaft für einen Zeitraum von längstens drei Jahren beschließen, Versammlungen ohne physische Präsenz durchzuführen. Die virtuelle Versammlung muss hinsichtlich Teilnahme und Rechteausübung einer Präsenzversammlung vergleichbar sein; praktische Leitplanken (Einladungstext, Technikcheck, Live‑Identifikation, Stimmrechtsausübung, Protokoll) sollten die Eigentümergemeinschaft vorab durch Beschluss definieren.
Für eilbedürftige Beschlussgegenstände empfiehlt sich oft eine zweistufige Lösung: Sofortige Vorbereitung eines Umlaufbeschlusses (inkl. Absenkungsbeschluss, wo zulässig) und parallel die Neuladung einer Ersatzversammlung – so bleibt die Wohnungseigentümergemeinschaft entscheidungsfähig, auch wenn die Präsenz kurzfristig scheitert. Einen praxisnahen Überblick über rechtliche und organisatorische Anforderungen des Umlaufwegs bietet der MIV‑Leitfaden Wie funktioniert ein Umlaufbeschluss in einer WEG?.
Governance und Organisation: Spielregeln im Voraus festlegen
Die beste Absage ist die, die nicht nötig wird. Dazu gehört Organisation mit Redundanz (Ersatzraum, Stellvertreterregelung in der Versammlungsleitung, Technik‑Fallback), klare Kommunikationskanäle und belastbare Geschäftsordnungs‑Standards. Die Eigentümergemeinschaft kann in wiederkehrenden Grundsatzbeschlüssen festlegen, wann und wie verlegt wird (z. B. Kriterienkatalog „höhere Gewalt/Unzumutbarkeit“), welche Informationswege genutzt werden (E‑Mail/Portal/SMS plus Post) und welche Alternativen automatisch greifen (Umlauf/virtuell).
Gleichzeitig müssen die Grenzen der Beschlusskompetenz beachtet werden: Nicht alles lässt sich mit einfacher Mehrheit vorstrukturieren; hier hilft ein Blick auf die typischen Fallstricke bei formellen Geschäftsordnungs‑ und Verfahrensbeschlüssen. In der Sitzung selbst gilt: Die Eigentümergemeinschaft kann anstelle der Verwaltung jederzeit einen anderen Leiter wählen; das verhindert Blockaden, falls die Verwaltung die Versammlung ohne tragfähigen Grund abbrechen will. Wer Hybrid‑ oder Online‑Alternativen vorbereitet, reduziert Absagegründe – organisatorische Hinweise und Checklisten bietet der MIV‑Leitfaden Hybride Eigentümerversammlung: Was Eigentümer beachten sollten; die rechtlichen Leitplanken ordnet der Beitrag Grenzen der Beschlusskompetenz in einer Eigentümergemeinschaft ein.
Fazit zum Thema
Kurzfristige Absagen sind nur auf Basis objektiver, dokumentierter Gründe und unverzüglicher Kommunikation vertretbar. Wer Ersatztermine zügig lädt, den Umlaufweg rechtssicher nutzt und die virtuelle Fallback‑Option vorab beschließt, bleibt als Eigentümergemeinschaft handlungsfähig und minimiert Anfechtungs‑ und Haftungsrisiken. Pflichtwidrige oder verspätete Abladungen können hingegen Schadensersatz auslösen und das Vertrauen in die Verwaltung untergraben. Klare Governance‑Beschlüsse – kombiniert mit sauberer Dokumentation und realistischen Technik‑/Raum‑Fallbacks – verbinden Flexibilität mit Rechtssicherheit.










