Wichtige Mietrecht-Urteile aus 2024
Schonfristzahlung und ordentliche Kündigung
Am 23. Oktober 2024 entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Az.: VIII ZR 106/23), dass eine Schonfristzahlung zwar die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses abwenden kann, jedoch nicht automatisch die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung berührt. Im konkreten Fall hatte ein Mieter nach der fristlosen Kündigung wegen Mietrückständen die ausstehende Summe innerhalb der Schonfrist beglichen. Dennoch hielt der Vermieter an der ordentlichen Kündigung fest. Der BGH bestätigte die Rechtslage zugunsten des Vermieters und betonte, dass die ordentliche Kündigung ein eigenständiges Mittel bleibt, um ein Mietverhältnis zu beenden. Grundlage für diese Entscheidung ist § 573c BGB, der die ordentliche Kündigung als eigenständiges Recht regelt.
Implikation für die Praxis: Vermieter können sich auf die ordentliche Kündigung berufen, selbst wenn die Mietrückstände ausgeglichen wurden. Mieter sollten sich bewusst sein, dass eine Begleichung der Rückstände innerhalb der Schonfrist nicht ausreicht, um die ordentliche Kündigung abzuwehren. Eine gute Kommunikation zwischen beiden Parteien kann hier helfen, Konflikte zu vermeiden.
Aufrechnung mit verjährten Schadensersatzforderungen gegen Kautionsrückzahlungsanspruch
Der BGH entschied am 10. Juli 2024 (Az.: VIII ZR 184/23), dass Vermieter mit verjährten Schadensersatzforderungen gegen den Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution aufrechnen dürfen. Im zugrunde liegenden Fall verlangte ein Mieter die Kautionsrückzahlung, während der Vermieter Schadensersatz für Beschädigungen in der Wohnung geltend machte. Obwohl der Schadensersatzanspruch verjährt war, erlaubte das Gericht die Aufrechnung mit der Begründung, dass die Verjährung lediglich die gerichtliche Durchsetzung, nicht aber die Aufrechnung ausschließt. § 215 BGB regelt, dass die Verjährung einer Forderung einer Aufrechnung nicht entgegensteht.
Implikation für die Praxis: Vermieter sollten ihre Ansprüche präzise dokumentieren, da auch verjährte Forderungen gegenüber der Kaution verrechnet werden können. Mieter sollten genau prüfen, ob die Forderungen des Vermieters berechtigt sind, bevor sie die Kaution einfordern. Eine klare und detaillierte Dokumentation der Schadensursache kann Streitigkeiten vermeiden.
Eigenbedarfskündigung für entfernte Verwandte
Am 10. Juli 2024 urteilte der BGH (Az.: VIII ZR 276/23), dass eine Eigenbedarfskündigung zugunsten entfernter Verwandter, wie Cousins oder Cousinen, in der Regel unzulässig ist. Im konkreten Fall hatte ein Vermieter die Wohnung gekündigt, um sie einem entfernten Familienmitglied zur Verfügung zu stellen. Der BGH stellte klar, dass Eigenbedarf nur für enge Familienangehörige wie Kinder, Eltern oder Geschwister geltend gemacht werden kann. Ausnahmen gelten nur, wenn ein besonderes persönliches oder wirtschaftliches Interesse besteht.
Implikation für die Praxis: Vermieter müssen sicherstellen, dass die Eigenbedarfskündigung auf enge Verwandte beschränkt ist oder ein besonderes Interesse nachgewiesen werden kann. Mieter haben hier eine starke Rechtsposition, um zweifelhafte Kündigungen anzufechten. Eine genaue Prüfung der individuellen Umstände vor der Kündigung kann rechtliche Auseinandersetzungen minimieren.
Unwirksame mietvertragliche Regelung zur Anpassung der Indexmiete
Das Landgericht Berlin entschied am 20. Juni 2024 (Az.: 67 S 83/24), dass eine mietvertragliche Regelung zur Anpassung der Indexmiete unwirksam ist, wenn sie nur dem Vermieter ein einseitiges Anpassungsrecht einräumt und keine Möglichkeit der Mietsenkung bei sinkendem Index vorsieht. In dem Fall hatte der Vermieter einseitig eine Mieterhöhung basierend auf der Entwicklung des Verbraucherpreisindex durchgesetzt, ohne eine entsprechende Senkungsmöglichkeit vorzusehen. Das Gericht entschied zugunsten des Mieters und hob die einseitige Regelung auf.
Implikation für die Praxis: Vermieter sollten sicherstellen, dass Verträge ausgewogene Regelungen zur Indexmiete enthalten. Mieter können einseitige Anpassungsklauseln anfechten, die ihre Rechte unzulässig einschränken. Eine ausgewogene Formulierung solcher Klauseln, die auch die Interessen der Mieter berücksichtigt, ist essenziell.
Widerspruch gegen Kündigung bei Suizidgefahr des Mieters
Am 10. April 2024 entschied der BGH (Az.: VIII ZR 114/22), dass ein Widerspruch gegen eine Kündigung gerechtfertigt sein kann, wenn beim Mieter eine akute Suizidgefahr besteht. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Vermieter wegen Eigenbedarfs gekündigt, doch der Mieter konnte ärztliche Nachweise über eine erhebliche psychische Belastung und drohende Suizidgefahr vorlegen. Das Gericht entschied zugunsten des Mieters und stellte fest, dass in solchen Ausnahmefällen die Interessen des Mieters schwerer wiegen als die des Vermieters. Ein ärztliches Gutachten, das die Suizidgefahr klar belegt, war in diesem Fall ausschlaggebend.
Implikation für die Praxis: Vermieter sollten bei Eigenbedarfskündigungen die persönliche Situation der Mieter sorgfältig prüfen. Mieter haben die Möglichkeit, ärztliche Gutachten einzubringen, um ihre Position zu stärken. Eine offene Kommunikation zwischen Vermieter und Mieter kann helfen, rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.